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Langzeitstudent: Definition und Jobaussichten

Ist das Vorurteil des Bummelstudenten überhaupt haltbar? Was sind die wahren Gründe und gibt es noch Langzeitstudiengebühren? Wir geben Antworten.

Das Wichtigste zum Thema Langzeitstudent auf einen Blick:

  • Der „Bummelstudent“, der vor sich hinlebt und studiert, ist eher Mythos als Tatsache.
  • Langzeitstudenten haben oft keine Wahl, was oft auf finanzielle oder gesundheitliche Umstände zurückzuführen ist.
  • In einigen Bundesländern werden spezielle Langzeitstudiengebühren erhoben.

Langzeitstudenten: Bummler oder Perfektionisten?

Studierende, die überdurchschnittlich lange für ihr Studium benötigen, gelten häufig als Bummler oder Dinosaurier. Doch sind Langzeitstudenten einfach nur faul? Ganz und gar nicht. Die Gründe für das Überschreiten der Regelstudienzeit und ein verlängertes Studium können ganz vielfältig sein. Normal ist das nicht, aber auch kein Weltuntergang! Also keine Angst, wenn Du die Regelstudienzeit überschreitest. Wir erklären häufige Gründe für die Verlängerung des Studiums, verraten Dir, ab wann Du überhaupt als Langzeitstudent giltst, wo Langzeitstudiengebühren anfallen können, und geben auch einige Bewerbungstipps für Langzeitstudenten.

Ab wann gilt man als Langzeitstudent?

Eine genaue Regel oder Definition für Langzeitstudenten gibt es nicht. Üblicherweise werden Studierende aber dann als Langzeitstudenten bezeichnet, wenn sie mehr als vier Semester nach der Regelstudienzeit noch immer keinen Abschluss gemacht haben.

Mögliche Gründe, warum man zum Langzeitstudenten wird

Auch wenn man umgangssprachlich schnell davon spricht und die Langzeitstudenten einen eher schlechten Ruf haben: Langzeitstudent ist nicht gleich Bummelstudent! Denn die Ursachen für die längere Dauer eines Studiums können vielfältig sein und von der individuellen Lebenssituation abhängen. Nicht immer ist das verlängerte Studium eine bewusste Entscheidung und die Hintergründe können ganz unterschiedlich sein:

  • Erfahrung abseits des Hörsaals: Manche Studierende legen viel Wert auf Erfahrung, die sie bei Praktika und Auslandsaufenthalten sammeln.
  • Herausforderung Finanzierung: Viele müssen trotz BAföGs oder eines Studienkredits Nebenjobs annehmen. Andere müssen mit Jobs das gesamte Studium finanzieren.
  • Nachwuchs: Auch Kinder können für eine längere Dauer des Studiums verantwortlich sein. Die Babypause sorgt dann mitunter dafür, dass der Abschluss erstmal in die Ferne rückt.
  • Schwierige Bedingungen: Manch einer schreibt auch länger als geplant an seiner Abschlussarbeit. Oder das gesamte Studium verzögert sich, weil Seminare und Vorlesungen fehlen, die regelmäßig überfüllt sind.
  • Psychische Gründe: Viele Studierende leiden auch unter Dauerstress. Der ist bei einigen so groß, dass sie ärztliche Hilfe benötigen und mit dem Studium aussetzen müssen. Nicht selten mündet dieser Stress für den Langzeitstudenten in einer Depression. Die Gründe: Prüfungsangst, Sorgen um die Zukunft und finanzieller Druck.
  • Gesundheitliche Ursachen: Aber nicht nur psychische Belastung und Depressionen können Gründe sein, warum man zum Langzeitstudenten wird, sondern auch die körperliche Verfassung und Erkrankungen.
  • Die Ausnahme: Du kennst sicherlich Studenten, die ihr Studium sehr entspannt angehen und sich mehr auf ihre Freizeit konzentrieren. Das sind die sogenannten Bummelstudenten. Sie sind aber - entgegen der Vorurteile über Langzeitstudenten - an den Hochschulen tatsächlich eher selten anzufinden.
  • Die Dauer-Eingeschriebenen: Auch eine Ausnahme, aber es gibt sie. Die Langzeitstudenten, die einfach nur (noch) eingeschrieben sind, um den Studentenstatus mit all seinen Vorzügen genießen zu können.

Langzeitstudiengebühren – Aufpreis für Dauer

Hast Du die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überstiegen, musst Du neben den Semesterbeiträgen auch bis zu 500 € Langzeitstudiengebühren pro Semester zahlen. Die Langzeitstudiengebühr zahlst Du mit der Rückmeldung zum jeweiligen Semester – genau wie die Semesterbeiträge. Allerdings haben sich die meisten Bundesländer gegen Studiengebühren und Langzeitstudiengebühren entschieden. Während Langzeitstudiengebühren in Niedersachsen beispielsweise sechs Semester nach Regelstudienzeit anfallen, verzichtet das Nachbarbundesland Hessen ganz auf Langzeitstudiengebühren. Auch die genaue Anzahl der überzogenen Semester ist in den einzelnen Bundesländern, die an den Langzeitstudiengebühren festhalten, unterschiedlich geregelt. Härtefallregelungen sorgen wiederum für Nachteilsausgleich für Studierende mit Behinderungen und länger andauernden Erkrankungen.

Folgende Bundesländer erheben Langzeitstudiengebühren:

Bundesland

Bremen

Höhe der Langzeitstudiengebühren

500 € Euro pro Semester nach Aufbrauchen des Studienguthabens von 14 Semestern; gilt auch für Studierende, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und kein Studienkonto mehr erhalten.

Bundesland

Niedersachsen

Höhe der Langzeitstudiengebühren

Für Studierende ohne Studienguthaben (nach Ablauf der Regelstudienzeit + 6 Semester): 500 € pro Semester bzw. 333 Euro pro Trimester; für Studierende, die das 60. Lebensjahr vollendet haben: 800 € pro Semester.

Bundesland

Saarland

Höhe der Langzeitstudiengebühren

Maximal 400 € Euro pro Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als 4 Semester; ob überhaupt Studiengebühren erhoben werden, und über die Höhe der Gebühren entscheiden die einzelnen Hochschulen selbst.

Bundesland

Sachsen

Höhe der Langzeitstudiengebühren

500 € pro Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit um vier Semester.

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Höhe der Langzeitstudiengebühren

500 € Euro pro Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit von mehr als 4 Semestern.

Bundesland

Thüringen

Höhe der Langzeitstudiengebühren

500 € Euro pro Semester bei Überschreitung der Regelstudienzeit von mehr als 4 Semestern.

Probleme für Langzeitstudenten

Aber nicht nur Langzeitstudiengebühren sind ein mögliches Problem, mit dem sich betroffene Langzeitstudenten herumschlagen müssen. Denn auch die Krankenkasse möchte von Studienüberziehern irgendwann volle Beiträge und bei der Bewerbung nach dem Studium gilt: Erklären, warum das Studium so lange gedauert hat.

Langzeitstudenten und die Krankenversicherung

Als Student profitierst Du normalerweise vom ermäßigten Krankenkassenbeitrag. Doch für gesetzlich versicherte Langzeitstudenten hat der Sprung über die Altersgrenze von 30 Jahren oder über das 14. Fachsemester finanzielle Konsequenzen. Denn mit dem Ende des Semesters, in dem Du 30 Jahre alt wirst, oder wenn Du das 14. Fachsemester beendest, wird die studentische Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung automatisch beendet und Du wirst ab dem nächsten Semester als freiwillig versichert eingestuft. So hat es der Gesetzgeber 1989 festgelegt. Nur wenn Du einen Wehr- oder Zivildienst, die Geburt eines Kindes, längere Erkrankungen oder zwingende Gründe geltend machen kannst, die eine Verlängerung der studentischen Krankenversicherung rechtfertigen, kann diese eventuell noch einmal verlängert werden. Falls Du privat versichert bist, ändert sich auch als Langzeitstudent nichts.

Eine weitere Ausnahme gilt für Studierende, die über den zweiten Bildungsweg ihren Hochschulzugang erworben haben. Sie werden nicht wie junge Studienanfänger bis zu 14 Fachsemestern zum Studientarif versichert, sondern nur so lange, wie sie für das Nachholen des Abiturs benötigt haben – also in der Regel zwei oder drei Jahre.

Kannst Du keine plausiblen Gründe anführen, tritt ab dem folgenden Semester die sogenannte freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ein und die Beiträge können mehr als um das Doppelte steigen.

Langzeitstudenten als Bewerber

Sinken für einen Langzeitstudenten die Berufschancen? Schließlich könnte ein überzogenes Studium auf viele Arbeitgeber abschreckend wirken und es wirft definitiv Fragen auf. Als Ex-Langzeitstudent und Bewerber musst Du diese Fragen natürlich beantworten können. Ob Deine lange Studienzeit bei der Bewerbung von Personalentscheidern positiv oder negativ aufgenommen wird, hängt nämlich in erster Linie davon ab, wie Du Dich selbst präsentierst. Du hast in jedem Fall gezeigt, dass Du Disziplin und Durchhaltevermögen hast. Das sind Eigenschaften, die Deinen Arbeitgeber überzeugen können, wenn auch der restliche Eindruck stimmt.

Bewerbungstipps für Langzeitstudenten

  • Ursachen positiv darstellen:

    Bereits im Anschreiben kannst Du erklären, warum Du länger für Dein Studium gebraucht hast. Zeige Deinem zukünftigen Arbeitgeber, dass Du Deine Zeit nicht unnötig verplempert hast. Gehe auf die Praktika, Dein soziales Engagement und die ehrenamtlichen Tätigkeiten ein. Auslandssemester belegen beispielsweise Deine guten Sprachkenntnisse.

  • Durchhaltevermögen hervorheben:

    Zu einem langen Studium und dem Abschluss gehört auch Durchhaltevermögen. Denn Du hast ja Deinen Abschluss gemacht, obwohl Du beispielsweise einen Nebenjob ausüben musstest oder während Deines Studiums ein Kind bekommen hast. Das sind Punkte, die für Dich sprechen und die Du einem Personaler unbedingt schmackhaft machen solltest.

  • Lügen vermeiden:

    Auch wenn Du sicherlich im besten Licht erscheinen willst, erzähle keine Märchen im Anschreiben oder im Lebenslauf. Spätestens beim Vorstellungsgespräch oder bereits bei einem Blick ins Internet und in Deine sozialen Netzwerke kannst Du darüber straucheln. Und wenn Dich Dein zukünftiger Arbeitgeber nach Zertifikaten oder Scheinen fragt, die Du nicht nachweisen kannst, wird es sehr unangenehm. Schreibe lieber selbstbewusst über Deine eigenen Schwächen und Misserfolge und mache deutlich, dass Du Deine Lehren daraus gezogen hast. Denn dadurch hast Du durchaus einen Vorteil gegenüber Deinen Mitbewerbern.

Langzeitstudenten in Bachelor-Zeiten – kann es die überhaupt noch geben?

Seit der Umstellung auf das Bachelor-Master-System sollten Langzeitstudenten eigentlich der Vergangenheit angehören. So wollte es die 2002 eingeführte Studienreform (Bologna-Prozess). Systematisch wurden dafür die alten Abschlüsse Magister und Diplom durch den durchschnittlich sechs Semester dauernden Bachelor ersetzt. Damit sollten die Studenten auf europäischer Ebene „wettbewerbsfähiger“ sein und sich an die Regelstudienzeiten halten. Doch die Realität sieht wie immer etwas komplizierter aus. Denn die vorgesehene Regelstudienzeit und die tatsächliche Studiendauer driften trotz verschulter Organisation oft auseinander. Langzeitstudenten gibt es also nach wie vor – wenngleich das Bild des faulen Bummelstudenten aus den Köpfen verschwinden muss. Denn Langzeitstudenten sind oft alles andere als das und das verlängerte Studium ist eher den Umständen geschuldet als einer falschen Einstellung.

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